Warum Katzen ewig leben...

Es ist Juli 2013. Ich sitze seit ein paar Monaten im Tierheim, nachdem man mich meinem vorherigen Besitzer wegnahm, weil er mich schwer misshandelt hatte. Da war ich nun - zusammen mit anderen Katzen in einem Käfig. Das war für mich eine riesige Umstellung, weil ich bisher keine Bekanntschaft mit meiner eigenen Spezies gemacht hatte. Obwohl meine Mitbewohner ganz nett waren, fühlte ich mich doch unendlich einsam.

 

Die Tage verschmolzen ineinander, weil ihr Ablauf sich irgendwie immer ähnelte - bis eines Tages die Tür zum Katzenhaus aufging und zwei Frauen hereinkamen. Sie blieben mit dem Rücken zum Käfig stehen und unterhielten sich. Dann wurde die eine Frau weggerufen.

 

Plötzlich hörte ich ganz tief in mir drin eine warme Stimme, die mir sagte, dass ich die Frau, die jetzt noch vor dem Käfig stand und augenscheinlich nicht an uns Katzen interessiert war, rufen sollte. Und zwar auf eine ganz bestimmte Art, die die Stimme mir auch gleich vormachte. Ich solle ihr vertrauen, es würde sich für mich alles zum Guten wenden.

 

Na gut, dachte ich, was habe ich schon zu verlieren...

 

Also stellte ich mich auf die Hinterbeine, lehnte mich mit den Pfoten ans Gitter - und rief, so laut ich konnte…

 

Die Frau fuhr herum - sie war kreidebleich. Oh nein! Was hatte ich nur getan?! Ich hatte sie doch nicht so erschrecken wollen…

 

Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste war, dass ihr Herzkater Kimba nur ein paar Monate zuvor nach über 16 gemeinsamen Jahren mit ihr, gestorben war. Sie fühlte sich noch nicht bereit, so schnell einer neuen Katze ein Zuhause zu geben, und wenn überhaupt, dann sollte es auf keinen Fall eine Schwarze sein.

Kimba
Kimba

Im Tierheim war sie an diesem Tag nur, weil sie sich eigentlich nach den Ausführzeiten für Hunde erkundigen wollte. Denn sie dachte, dass sie, wenn sie schon keinen eigenen Hund haben konnte, ja zumindest - so wie früher - einen ausführen könnte.

 

In die Katzenkäfige wollte sie ganz bewusst nicht schauen, denn in genau so einem hatte sie damals auch Kimba entdeckt, als er gerade mal 3 Monate alt war. Ein kleines schwarzes Streunerkitten, das sie mit riesigen verschreckten Augen ansah. Es war sofort um sie geschehen und Kimba zog bei ihr ein. Ihre erste eigene Katze. Dieses kleine Kitten entwickelte sich dann zu einem prächtigen Kater, der für lange Zeit ein fester Bestandteil ihres Lebens war. Bis zu jenem furchtbaren Tag vor ein paar Monaten, an dem sie die schlimmste Entscheidung treffen musste, die es für einen Menschen gibt, der sein Tier liebt… 

 

So war es wohl verständlich, dass sie erstarrte, als sie, wie sie da so stand und wartete, auf einmal hinter sich - laut und deutlich und völlig unverkennbar - Kimba’s Stimme hörte. Und dann beim Herumdrehen auch noch in riesige verschreckte Augen schaute, die sie aus einem schwarzen Gesicht heraus anstarrten.

 

Die Zeit schien stillzustehen. Dabei waren es bestimmt nur ein paar Sekunden, in denen wir uns einfach nur anschauten. Aber diese schienen sich unendlich lange auszudehnen. Ich hatte schreckliche Angst, dass mir die Stimme etwas Falsches gesagt hatte, und dass ich einen schrecklichen Fehler begangen hätte, als ich nach der Frau rief.

 

Aber nein, es schien, als wäre da etwas zwischen uns. Schon in diesen ersten Momenten. Und in mir drin, ganz tief, spürte ich eine Wärme, eine Vertrautheit, als würden wir uns schon ganz lange kennen. Irgendwie schien die Frau das auch zu fühlen.

 

Als die andere Frau zurückkam, fragte sie, was denn los sei. Sie schaute mich an und dann die Frau, die immer noch völlig gebannt vor dem Käfig stand. Auch sie schien zu spüren, dass da irgendetwas vor sich ging. Also fragte sie, ob die Frau mal zu mir in den Käfig wolle. Sie erzählte ihr auch gleich noch meine Vorgeschichte. Das war mir dann ein bisschen peinlich, weil ich auf keinen Fall das Mitleid der Frau wollte. Was konnte ich denn dafür, dass das Schicksal mir zuerst einen ganz furchtbaren Menschen zugeteilt hatte?

 

Dann ging die Käfigtür auf und die Frau kam ganz vorsichtig herein. Sie hatte kein Auge für den schönen Angorakater, den normalerweise alle bewunderten. Auch die anderen Katzen im Käfig waren ihr völlig egal. Sie hatte nur Augen für mich.

 

Als sie in die Knie ging, kletterte ich ihr auf die Schulter und fing an, ihren Hals und ihr Gesicht zu putzen. Ich glaube, wenn sie noch irgendeinen Zweifel daran gehabt hätte, dass wir zusammengehören, war der damit dann auch erledigt. Spätestens wohl aber, als die andere Frau ihr sagte, dass ich es so gar nicht mag, auf den Arm genommen zu werden. Tja, was soll ich sagen. Ich habe der Stimme in mir vertraut, und es schien sich in meinem Leben tatsächlich - wie sie mir versprochen hatte - alles zum Guten zu wenden.

 

Kurz darauf holte mich die Frau ab und brachte mich nach Hause. Die Fahrt war zwar nicht lang, aber ich hatte doch Gelegenheit, sie mit ein paar Strophen des Lieds meines Volkes zu unterhalten. Ich glaube, sie war schwer beeindruckt… 

 

Zuhause angekommen, stellte ich fest, dass es da noch andere Katzen gab. Einen, der genauso schwarz war wie ich - Lucky - der auch aus ganz schlimmen Verhältnissen stammte. Und zwei weitere Kater, Gizmo und Cameo, bei denen ich erst dachte, dass die permanent voll aggro sind, bis ich merkte, dass die einfach aufgrund ihres langen Fells immer einen Puschelschwanz haben. Ja, lacht nur, woher sollte ich das denn bitteschön wissen?!

Ich fühlte mich hier sofort heimisch - und auch die anderen Katzen schienen zu spüren, dass hier etwas Besonderes vor sich ging, denn es schien irgendwie, als wäre ich schon immer hier gewesen. Schon am nächsten Tag war ich so entspannt, dass die Dosine direkt ein Beweisfoto machen musste.

Das Ganze ist nun schon ein paar Jahre her und ich fühle mich hier immer noch unglaublich wohl. Lucky war leider im Jahr nach meinem Einzug über die Regenbogenbrücke gegangen. Zwischenzeitlich war auch noch Kezia eingezogen. Man kann sagen, dass wir eine große glückliche Familie sind.

 

So, aber worauf ich eigentlich hinauswollte…

 

Ich habe es niemals bereut, dass ich dieser Stimme in mir damals vertraut habe. Mittlerweile weiß ich, dass sie zu Kimba gehörte, der natürlich ganz genau wusste, in welcher Stimmlage ich sein Frauchen rufen muss. Dieses ganz spezielle Miauen habe ich übrigens nie mehr so hinbekommen - und glaubt mir, ich hab's versucht.

 

Kimba und ich, wir reden immer noch miteinander. Und deshalb weiß ich auch, dass wir Katzen - und wahrscheinlich alle anderen Tiere auch - nicht einfach aufhören zu existieren, nur weil wir über die Regenbogenbrücke gegangen sind. Wir leben weiter in den Herzen unserer Menschen. Vielleicht ist das aber auch nur bei denen so, die unendlich geliebt wurden, das weiß ich nicht.

 

Neulich hat mich die Dosine dann erwischt, als ich mal wieder mit Kimba Zwiesprache hielt - und hat dann direkt ein Bild davon gemacht. Ihr war nämlich aufgefallen, dass ich oft oben auf dem Kratzbaum sitze und Kimba’s Bild anschaue. Und zwar nur seins. Ist doch aber auch logisch, denn Lucky - dessen Bild darüber hängt - kannte ich ja noch persönlich.

Meine Geschichte soll allen Katzen Mut machen, denen es gerade nicht so gut geht. Wenn ihr eine warme Stimme in euch hört, dann vertraut ihr. Vielleicht verhilft sie euch ja dann auch zu so einem tollen Leben wie mir.   

 

Und euch Menschen möchte ich sagen, dass eure Fellnasen immer noch da sind und über euch wachen - und manchmal schicken sie dann jemanden wie mich, der dabei hilft, ein gebrochenes Herz zu heilen. Denn das können wir Tiere richtig gut...